Zweitkräfte für die Inklusion an Schulen

Erstellt von Henrike Paede |

Offener Brief an Ministerpräsident Dr. Markus Söder

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Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Dr. Söder,

in Ihrer Regierungserklärung haben Sie neben dem Versprechen von Investitionen im Bildungsbereich auch kundgetan, in der Schule sei Ihr Ziel, dass nicht jeder Schüler das Gleiche bekomme, sondern das, was er wirklich brauche. Dies begrüßen wir ausdrück-lich und möchten Sie sogleich beim Wort nehmen.

Seit dem Jahr 2011 ist Inklusion im Bayerischen Schulgesetz verankert. Die nach nun ausreichend langer Zeit der Erprobung gezogene Bilanz ist ernüchternd. Das Forum Bildungspolitikin Bayern hat auf Basis der täglichen praktischen Erfahrungen seiner Mitglieder in einem Positionspapier den derzeitigen Zustand der Inklusion in Bayern analysiert und Forderungen für ein zukünftiges Gelingen entwickelt. Dieses am 23.2.2018 auch als Eingabe an den Landtag übersandte Papier „Kritische Würdigung des Stands der Inklusion in Bayern - Forum Bildungspolitik fordert entscheidende Verbesserungen“[1] legen wir Ihnen ausdrücklich und dringend als Ganzes ans Herz. Dort werden neben dem im Folgenden einzeln dargelegten Hindernis für die Inklusion, dem Fehlen pädagogischer Zweitkräfte für den inklusiven Unterricht, die Probleme im Einzelnen genannt.

Es hat sich insbesondere herausgestellt, dass Inklusion bei verhaltensauffälligen und lernzieldifferent zu unterrichtenden Schülern mit den vorhandenen Ressourcen nicht oder nur höchst selten funktioniert.Somit kann auch das Wahlrecht gemäß Art. 41 Abs. 1 Satz 3 BayEUG zwischen allgemeiner und Förderschule im Schulalltag nicht ausgeübt werden. Nicht nur beim Bayerischen Elternverband stranden wöchentlich Eltern, deren Wunsch nach Inklusion nicht entsprochen wird. Andere werden erst nach auftretenden Schwierigkeiten von der allgemeinen Schule an die Förderschulen gedrängt. Es herrscht Ratlosigkeit, wie mit solchen Kindern umzugehen ist. Die im
BayEUG festgeschriebenen Hilfsmöglichkeiten genügen nicht: der Mobile Sonderpädagogische Dienst ist viel zu wenig in der Schule anwesend, um Tag für Tag praktisch helfen zu können, Schulbegleiter können durch ihre völlig eingeengte Rolle die soziale Integration des behinderten Kindes in der Klasse nicht bedarfsgerecht unterstützen und die Klasslehrkraft ist mit der Gestaltung des Unterrichts und den steigenden Herausforderungen des übrigen Schulalltags ausgelastet. Die Schulen wissen somit keinen Rat. Daher werden diese Kinder ganz oder teilweise vom Unterricht suspendiert, mit der Folge, dass (wegen dann zu geringen Einkommens) die Schulbegleitung kündigt, wodurch der Besuch der allgemeinen Schule unmöglich wird. Um das Problem irgendwie zu lösen, üben Lehrkräfte, Schulleitungen und Schulämter auf die Eltern massiven Druck aus, ihr Kind an die Förderschule zu geben. Wenn sie sich weigern, werden Jugendämter eingeschaltet und sogar mit Entzug des Sorgerechts gedroht. Dies ist ein unhaltbarer und skandalöser Zustand!

Der Bayerische Elternverband fordert daher für Klassen mit verhaltensauffälligen und lernzieldifferent zu unterrichtenden Schülern pädagogische Zweitkräfte, die nicht an ein bestimmtes Kind, sondern fest an eine Schule gebunden sind. Sie sollen individuell, sozial- und gruppenorientiert den Klassenlehrer bei der Umsetzung eines inklusiven und individualisierenden Unterrichts unterstützen:

Die allgemeinen Schulen bekommen ein eigenes Budget für Zusatzkräfte mit pädagogischer, pflegerischer, therapeutischer Qualifikation – über das sie nach eigenem Bedarf selbst verfügen können. Dies können zum Beispiel ErzieherInnen, HeilpädagogInnen, SozialarbeiterInnen, HeilerziehungspflegerInnen, DiplompädagogInnen oder Pflegekräfte sein. Die Zuteilung von FörderlehrerInnen ist auszuweiten.“[2]

Angesichts vieler anderweitig versprochener Investitionen in Bayern muss nun die bereits 2009 ratifizierte UN-Behindertenrechtskonvention und das 2011 im BayEUG festgeschriebene Recht auf Inklusion und Teilhabe eingelöst werden. Wir fordern Sie daher auf, den Weg für die im Positionspapier des Forum Bildungspolitik in Bayern beschriebenen pädagogischen Zweitkräfte frei zu machen, sie zu institutionalisieren und haushalterisch abzusichern. In Zeiten Ihres „Neustarts“ für Bayern auf Basis einer ausgezeichneten Haushaltslage ist es nun an der Zeit, dass auch behinderte SchülerInnen von Verbesserungen profitieren und das ihnen längst zustehende Recht auf Inklusion auch praktisch bekommen.

Mit freundlichen Grüßen
Henrike Paede, stellv. Landesvorsitzende und Sachgebietsleiterin Förderschule/Inklusion/Integration
/typo3/

 

[1] www.forum-bildungspolitik.de/download/pet_inklusion_20171127.pdf
[2] ebd.

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